Samstag, 9. Juli 2011

Merkwürdig

Merkwürdig

Samstagnachmittag an meinem heiß geliebten und zugleich etwas obskuren Arbeitsplatz. Ich sitze im Notdienst draußen vor meinem Etablissement und lasse mir die Sonne auf den Pelz brennen. Eine Strafe diesen Tag bei allerschönstem Wetter mit Arbeiten verbringen zu müssen, anstatt an die nächstgelegene Wasserskibahn zum Wakeboarden zu fahren. Aber nun gut, dann nutze ich die Zeit eben, um meine mehr oder weniger einleuchtenden geistigen Ergüsse zu notieren. Und natürlich lässt der erste Kunde nicht lange auf sich warten. Schnell mein Hemd übergezogen und mit einem freundlichen Lächeln den Kunden begrüßen, der schon mit einem Gesicht den Laden betritt, als hätte es seit drei Wochen geregnet und pausenlos Leberwurstbrote zum Mittagessen gegeben.
„Ich will mein Cortison. Ich glaube 5 mg. Die größte Packung.“
Nach so vielen Jahren in diesem Job erstaunt mich immer wieder von neuem die Unfreundlichkeit und Dreistigkeit von etlichen Bewohnern dieses Planeten. „Guten Tag“ und „Bitte“ scheinen immer mehr aus der Mode zu kommen.
„Haben Sie ein Rezept, der Herr?“, frage ich eigentlich nur aus rhetorischen Gründen, obwohl mir die Antwort hinlänglich bekannt ist.
„Natürlich nicht. Ihre Kollegen hier im Dorf stellen sich da auch nicht so an.“
Dies wirft mal wieder meinen üblichen Fragenkatalog auf: a) Welche Kollegen?; b) Warum geht der Typ nicht mal früher zum Arzt?; c) Warum immer ich?
Es kommt was kommen muss. Nach einem kurzen Disput, wie unfähig ich doch ganz im Gegensatz zu meinen Kollegen sei, bin ich noch so höflich und versuche seinen Hausarzt zu erreichen. Aber an einem so schönen Tag ist der natürlich auch nicht in seiner Praxis, sondern sonnt sich bestimmt auf der Terrasse oder fährt mit dem BMW-Cabrio durch die Gegend. Es bleibt also nur der Gang zum Notdienstarzt im Krankenhaus. Unter wüsten Beschimpfungen verlässt der Herr den Saal und ward nie wieder gesehen. Was will der Künstler uns damit sagen?, fragen sie. Da mir, und sicherlich bin ich nicht der einzige Apotheker, solche Episoden andauernd passieren, stelle ich mir persönlich ein paar Fragen: a) Muss ich immer höflich bleiben und dem Image des Apothekers einen Dienst erweisen? Warum scheint es immer wieder gewisse Kollegen zu geben, die jedem Hinz und Kunz, seinen Willen geben, wenn er nur genug Terror macht? Sind wir schon so weit gekommen, dass wir Cialis, Adumbran und am besten noch anabole Steroide so verkaufen? Wird da mal halbwegs über den Tellerrand geschaut und überlegt, welche Konsequenzen das eigene (nicht ganz koschere) Handeln für den nächsten Apotheker hat? Frustriert und wütend zugleich, so lässt sich meine Gefühlslage nach diesen Vorfällen beschreiben. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Einem Stammkunden ein Dauermedikament vorab zu geben ist an einem Samstag oder Freitagnachmittag mehr als gerechtfertigt. Bei allem anderen hören der Spaß und das Verständnis für mich auf.

In diesem Sinne, ihr Apobandicoot.

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